Story / Zürich, 12. November 2025

Wohnungsmarkt Schweiz – Im Spannungsfeld der Regulierung

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Die Regulierung des Schweizer Wohnungsmarkts nimmt rasant zu. Schon heute unterliegt ein grosser Teil der Mietwohnungen strengen Vorgaben – und der Anteil wächst weiter. Für Projektentwicklungen bedeutet das einen Hindernislauf zwischen Verdichtung, Nachhaltigkeit und komplexen Bauauflagen. Der Beitrag zeigt, wie Zielkonflikte entstehen, welche Risiken wie Leerkündigungen, Hindernisfreiheit oder ISOS die Planung erschweren und warum selbst erfahrene Investoren vor grossen Herausforderungen stehen.

Text: Birgit Hattenkofer
(erschienen in Akzent 11/2025)

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Bild: Ufuk Düzgün

Aktuell ist jede dritte Wohnung in der Schweiz in irgendeiner Weise reguliert. Weitere geplante Regulierungsmassnahmen dürften diesen Anteil gemäss einer Schätzung der UBS auf mehr als die Hälfte aller Schweizer Mietwohnungen erhöhen. Das folgende – nicht gänzlich fiktive – Fallbeispiel illustriert Zielkonflikte und Risiken der Regulierungsflut aus Sicht einer Pensionskasse bzw. ihrer Immobilienanlagestiftung.

Man stelle sich eine typische Überbauung aus den 1970er- Jahren am Rande einer Deutschschweizer Stadt vor; bestehend aus zehn Gebäuden mit je neun Mietwohnungen und grosszügigem Umschwung.

Drei Varianten, vier Risiken

Dank kürzlich erfolgter Revision der örtlichen Bau- und Zonenordnung lässt sich der Bestand stark verdichten. Ausgearbeitet wird also eine Machbarkeitsstudie in drei Varianten. Ziel ist, das Grundstück maximal auszunutzen unter Berücksichtigung von wirtschaftlichen, architektonisch-städtebaulichen und nachhaltigen Kriterien.

  • Eine Aufstockung um zwei Geschosse nebst Anbauten in Regelbauweise erweist sich als technisch machbar.
  • Aufgrund der Parzellengrösse ist auch eine Arealüberbauung baurechtlich zulässig, was zusätzlich Mehrausnutzung verspricht.
  • Sogar ein privater Gestaltungsplan für eine noch höhere Dichte ist an diesem Ort denkbar. Allerdings nimmt man die
    Unwägbarkeiten eines jahrelangen politischen Prozesses in Kauf.

Leider erweisen sich die Stolpersteine auf dem Weg zur baukulturell sinnvollsten und einträglichsten Strategie als komplex. Besonders einflussreich sind diese vier Herausforderungen:

Komplexe Bauauflagen und das Reputationsrisiko «Leerkündigung» 
Baujahr- und investitionsstaubedingt ist eine Kernsanierung des Bestands unumgänglich. Aufgrund der Eingriffstiefe wird der Bestandsschutz hinfällig; zwingend ist eine Erdbebenertüchtigung, die sich nicht im bewohnten Zustand durchführen lässt. Das Reputationsrisiko bei einer Kündigung von 90 Mietparteien ist jedoch gross. Der Immobilienanlagestiftung respektive der Pensionskasse liegt eine Leerkündigung zur anschliessenden Realisierung hochpreisigen Wohnens fern.

Hindernisfreiheit und Baumbestand als Stolpersteine für die Verdichtung 
Mit Aufhebung des Bestandsschutzes werden zudem umfassende bauliche Massnahmen zur Gewährleistung der Hindernisfreiheit sämtlicher Wohnungen, alt und neu, nötig. Rechnet sich die vorgesehene Aufstockung so überhaupt noch? Vielleicht lässt sich das Areal aber auch gar nicht mehr städtebaulich und architektonisch sinnvoll verdichten aufgrund des prächtigen Baumbestands, der nicht gefällt werden darf.

Massiver Interpretationsspielraum bei der Bewilligung 
Für die Variante Arealüberbauung ist zu ergänzen: Die Strategie, die bestehenden Häuser sanft zu sanieren und um einzelne Neubauten zu ergänzen, könnte baubewilligungstechnisch scheitern. Denn laut Planungs- und Baugesetz müssen bei einer Arealüberbauung Bauten und Umgebung besonders gut gestaltet sein. Die Interpretation dieser Vorgabe ist subjektiv, also risikobehaftet. Zudem können Auflagen zur Vermietung gemacht werden, die die Wirtschaftlichkeit massgebend beeinträchtigen.

ISOS als Damoklesschwert?

Ein Lichtblick ist die 2026 in Kraft tretende neue Lärmschutzverordnung – insbesondere, weil sie Erleichterungen in der Planung und im Bewilligungsprozess verspricht und das Einsprachepotenzial reduziert. Apropos Einsprache: Neu mit an der Spitze der Risiken liegt ISOS, das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung. Das kann Konsequenzen hinsichtlich im Perimeter befindlicher oder auch nur daran angrenzender Liegenschaften mit sich bringen – von Mehrkosten über Mindererträge bis hin zum Planungsabbruch. Ein Hoffnungsschimmer ist die kürzlich vom Bundesrat angekündigte geplante Einschränkung der direkten Anwendung des ISOS.

Ein Hindernislauf

Projektentwicklungen und Nachverdichtungen werden immer mehr zur Quadratur des Kreises. Planung, Bewilligung und Realisierung gestalten sich zunehmend anspruchsvoller, dauern länger und sind kostenintensiver. Die Wohnraumversorgung in der Schweiz wird zudem durch die mietrechtliche Regulierung belastet. Die Praxis der beiden Westschweizer Kantone Genf und Waadt – und seit kurzem auch des Kantons Basel-Stadt – zeigt, dass die «Übersteuerung» des Obligationenrechts (Mietrechts) durch baugesetzliche Bestimmungen auf kantonaler Ebene nicht zu einer Ausweitung des Wohnungsangebots, sondern zu einer Reduktion führt. Pensionskassen oder Anlagestiftungen, die seit je eine tragende Rolle für einen gut funktionierenden Wohnungsmarkt spielen, sehen sich mit einem sehr komplexen Umfeld konfrontiert.

Der Artikel ist in Akzent 11-25 erschienen. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung zur Publikation.

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