Interview mit Cornelia Estermann / Zurich, 15. Mai 2025

Weniger ist mehr–
ein Plädoyer für einfaches Bauen

Interview: Mike Siering 

  • Nachhaltigkeit
  • Neubau
  • Sanierung
  • Wohnungsbau
  • Adimora
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Preisgünstiger Wohnungsbau liegt ihr am Herzen. In der durch Pensimo geführten Anlagestiftung Adimora setzt sie sich dafür ein, bestehenden günstigen Wohnraum zu bewahren und neuen zu schaffen. Wie das gelingt und warum «einfaches Bauen» dabei der Schlüssel zum Erfolg ist, verrät Portfoliomanagerin Cornelia Estermann im Interview. 

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Cornelia Estermann
Portfoliomanagerin / stv. Mandatsleiterin

T +41 44 518 02 06
cornelia.estermann@pensimo.ch

Hierzulande haben wir eher hohe Erwartungen an den Bau- und Wohnungsstandard. Warum ist das «einfache Bauen» nun Thema und wird in Fachkreisen diskutiert? 
Wir haben beim Bauen immer mehr Normen und Regularien und immer mehr Anspruchsgruppen. Wovon wir aber weniger haben, ist konsensorientiertes Miteinanderschaffen und gemeinsame Lösungsfindung. Was heute ein grosses gesellschaftliches Ziel sein muss, ist, mehr Wohnungen zu bauen, kostengünstige Wohnungen zu erhalten und neue zu erstellen. Das können wir nicht, wenn wir es mit immer mehr Vorschriften zu tun haben.

Warum widmet sich eine institutionelle Investorin wie Pensimo dem Thema «einfaches Bauen»? Was ist die Motivation? 
Wir haben bei Pensimo schon immer Dinge ausprobiert. Beim einfachen Bauen geht es darum, dass man nachhaltig ist, ressourcenschonend und kostengünstig. Es ist Teil unserer Strategie, dass wir nachhaltig bauen. Und kostengünstig zu bauen, ist speziell bei der Anlagestiftung Adimora etwas, auf das wir einen starken Fokus legen. Dabei loten wir immer wieder aus, was möglich ist.

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links: Fassade Längsbau, Zwhatt, Regensdorf (Bild: Gian Marco Castelberg)
rechts: Innenansicht Loft, Längsbau, Zwhatt, Regensdorf (Bild: Beat Bühler)

Wenn wir zunächst einmal ein ganzes Immobilienportfolio betrachten, geht es ja hier immer darum, begrenzte Ressourcen beim richtigen Projekt einzusetzen. Kannst Du aufzeigen, wie Ihr hier vorgeht? 
Die grosse Herausforderung bei der Frage, wo der Franken richtig eingesetzt ist, sind die behördlichen Vorschriften. Die Behörden bekommen eine Baueingabe und wenden natürlich alle geltenden Vorschriften an. Wir hätten hier gern mehr Flexibilität. Statt bei einem Haus die zwar vorhandene, aber nicht mehr den Normen entsprechende Wärmedämmung zu erneuern, möchten wir lieber in die Isolierung eines noch gar nicht gedämmten Hauses investieren. Und genauso gehen wir in unserem Portfolio bei der energetischen Erneuerung vor: Wir sanieren zunächst die aus energetischer Sicht schlechten Liegenschaften. Hier ist die erzielbare Wirkung am grössten. Im Kanton Genf ist diese Vorgehensweise übrigens Vorschrift.

In dem Zusammenhang ist auch das Thema der grauen Energie wichtig, also die in Materialien eingebrachte Energie für Produktion und Transport. 
Genau. Wenn ich eine bestehende Dämmung ersetze, wird das vorhandene Material vernichtet und neues produziert, transportiert und verbaut. Und jedes neue Material setzt erneut CO2-Emissionen frei, manchmal sogar mehr, als es in seiner ganzen Lebensdauer einspart. Diese Tatsache berücksichtigen die Normen, die beispielsweise eine Wärmerückgewinnung fordern, leider nicht.

Materialien kann man aber auch wiederverwenden. Das wäre ressourcenschonend. Stichwort Kreislaufwirtschaft. Was macht Ihr hier für Erfahrungen? 
Wir haben erst kürzlich bei einer Gebäudesanierung an der Route de la Maladière in Chavannes-près-Renens konsequent analysiert, wie wir mit den vorhandenen Bauteilen umgehen: welche können wir behalten oder verbessern und welche müssen wir wirklich ersetzen. Konkret werden wir nun alte Holzfenster aus den 60er-Jahren aufdoppeln statt sie zu ersetzen. Oder im Innenraum: Hier werden wir zum Beispiel die Küchenfronten nur da ersetzen, wo nötig. So bekommt der Ausbau einen frischen Look und entspricht wieder den Erwartungen der Mieterschaft, ohne dass wir alles austauschen müssen.

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links: Küche und Loggia zugleich, Schönberg Ost, Bern (Bild: Hannes Henz)
rechts: Küchen vor dem Upcycling in Route de la Maladière, Chavannes-près-Renens (Bild: Pensimo)

Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit ein solches Re-use funktioniert? 
Zunächst einmal muss ich als Portfoliomanagerin und mein Kollege oder meine Kollegin vom Construction Management davon überzeugt sein und das wirklich wollen. Es braucht zudem Architekten, die sich in das Thema hineindenken wollen, und Planer, die unsere Denkweise teilen. Natürlich müssen wir auch mit den Behörden reden und hier Verständnis für einfache Lösungen wecken. Das alles braucht Zeit.       

Und wie nimmt die Mieterschaft dieses Vorgehen auf? 
Sehr gut. In Chavannes-près-Renens haben wir unsere Ideen und das Vorgehen erklärt und die Mieterinnen und Mieter waren sehr begeistert von unserer Herangehensweise. Alle verstehen, dass wir als Gesellschaft insgesamt Ressourcen sparen müssen.

Lässt sich diese Denk- und Handlungsweise auch auf Neubauten übertragen? Wie können wir hier ressourcenschonend, einfach und kostengünstig bauen?  
Das lässt sich gut am Beispiel des Längsbaus im Zwhatt, Regensdorf, darstellen. Dort haben wir neue Lofts gebaut, die wir möglichst einfach ausgestattet haben. Ziel war es, kostengünstige Mieten anzubieten, was wir auch geschafft haben. Gleichzeitig haben wir weniger Materialien gebraucht und somit weniger graue Energie eingesetzt. Wichtig ist, gut nutzbare Flächen und Ausstattungen anzubieten, die die Mieterschaft bei Bedarf ergänzen kann. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass man bei jedem Standort genau schauen muss, wo man reduzieren kann. Es funktionieren nicht überall die gleichen Massnahmen und nicht alles ist überall akzeptiert.

Ist der Längsbau im Zwhatt ein Einzelfall oder gibt es weitere Neubauten, die als beispielhaft gelten können? 
In Schönberg Ost, Bern, haben die Architekten die Wohnungsgrundrisse so lange optimiert, bis wir ein vergleichbares Nutzungsangebot und vergleichbare Qualität auf zwanzig Prozent weniger Fläche erreicht haben. So sparen wir Baukosten und können beim Mietzins niedrig bleiben. Zudem haben wir auf eine separate Loggia verzichtet und die Küche als nach aussen öffenbares Jahreszeitenzimmer konzipiert. So konnten wir dreizehn statt acht Wohnungen auf der gleichen Fläche realisieren. Und das ist entscheidend. Wir brauchen in Zukunft nicht unbedingt mehr Fläche, sondern mehr Wohneinheiten.

Herzlichen Dank für das Interview, Cornelia. 

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